Vorschläge für Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorgelegt

Berlin: Ein Bündnis aus über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen, an dem auch die LIGA Selbstvertretung mitwirkt, hat heute am 25. Januar unter dem Motto „AGG Reform-Jetzt!“ eine umfassende Ergänzungsliste zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und eine Stellungnahme mit 11 zentralen Forderungen im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Beide Papiere werden am Nachmittag an die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung übergeben und auch an die zuständigen Ministerien versenden.

„Die Ampel-Koalition hat im Koalitionsvertrag eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) angekündigt. Bisher liegt aber nicht einmal ein Eckpunktepapier seitens des federführenden Bundesministeriums der Justiz vor. Eine Reform ist aber längst überfällig. In 16 Jahren Praxiserfahrung sind die Schwächen des AGGs weitgehend bekannt: Das Gesetz schützt nicht alle Betroffene von Diskriminierung. Die Erweiterung der Diskriminierungskategorien beispielsweise auf Sozialer Status, Familiäre Fürsorgeplichten, Körpergewicht und Sprache ist daher dringend notwendig“, heißt es in der Presseinformation des Bündnisses AGG-Reform Jetzt.

Das AGG sei außerdem nicht anwendbar auf alle Lebensbereiche. Es müsse daher ausgeweitet werden auf staatliches Handeln, um vor allem bei institutioneller Diskriminierung wie beispielsweise „racial profiling“ angemessenen Rechtsschutz zu gewährleisten. Auch sei das rechtliche Vorgehen gegen Diskriminierung in vielen Fällen zu schwierig. Seit Jahren fordern Expert:innen daher die Einführung eines Verbandsklagerechts und weiterer Maßnahmen, um die Rechtsdurchsetzung zu unterstützen.

Um dem Ziel eines fortschrittlichen Antidiskriminierungsrechts näher zu kommen und die Reformbestrebungen der Bundesregierung kritisch zu begleiten, hat der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) eine umfassende Ergänzungsliste zum AGG sowie eine von 100 Organisationen unterzeichnete Stellungnahme koordiniert. Hieraus hat sich nun das Bündnis „AGG Reform-Jetzt!“ gegründet, dass die langjährige Expertise im Diskriminierungsschutz von einem breiten thematischen sowie communitybasiertem Spektrum an zivilgesellschaftlichen Organisationen bündelt.

“Das breit aufgestellte Bündnis, das gemeinsam eine schnelle und tiefgreifende Reform des Gesetzes fordert, zeigt, dass Antidiskriminierung ein gesamtgesellschaftliches Thema ist. Der Schutz vor Diskriminierung ist zentral in einer demokratischen Gesellschaft. Dazu gehört neben präventiven Maßnahmen auch ein wirksames Antidiskriminierungsrecht, das für Betroffene durchsetzbar sein muss.”, sagt Eva Andrades, Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverbands Deutschlang (advd). Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* (BVT*) machte auf die Notwendigkeit eines Verbandsklagerechts aufmerksam, das entsprechend verankert werden müsse, weil sich einzelne Betroffene oft keine Klage zutrauen.

Natalie Rosenke von der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung (GgG) machte deutlich, dass auch die Kategorie „Körpergewicht“ als Diskriminierungsmerkmal mit ins Gesetz mit aufgenommen werden. Hochgewichtige Menschen müssten beispielsweise vor Diskriminierungen geschützt werden, weil sie beispielsweise oft nicht in Kategorien wie Behinderung oder chronische Krankheiten fallen.

Im Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) von 2022 waren behinderte Menschen die Gruppe mit den zweitmeisten gemeldeten Diskriminierungsfällen bei der ADS. Christiane Möller, die für den Deutschen Behindertenrat an der Pressekonferenz mitwirkte, machte daher den Handlungsbedarf für einen wirksamen und umfassenden Schutz vor Diskriminierungen behinderter Menschen deutlich. Vor allem müsse die Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen und die Verpflichtung privater Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wirksam verankert werden.

„Diskriminierung hat viele Gesichter. Diskriminierung passiert nicht nur, wenn zum Beispiel jemand nicht in die Diskothek rein darf, sondern auch wenn Menschen auf Zugangshürden, auf Barrieren, stoßen“, betonte Christiane Möller. Dies spiele beispielsweise bei der Gesundheitsverorgung eine wichtige Rolle, weil viele Arztpraxen nicht barrierefrei sind. Auch bei der freien Meinungsäußerung gäbe es erhebliche Defizite, beispielsweise bei der Meinungsbildung wenn Nachrichten für gehörlose und Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht barrierefrei sind. Bei Alltagsgeschäften ist es nach der Schilderung von Christiane Möller beispielsweise beim Abheben des Geldes vom Bankautomaten immer noch schwierig, weil diese meist nicht barrierefrei nutzbar sind. „Es ist an der Zeit, dass in Deutschland die menschenrechtlichen Regelungen umgesetzt werden. Für das AGG ist wichtig, dass bestehende Barrieren beseitigt werden müssen. Wenn diese nicht beseitigt werden, bzw. es keine angemessene Vorkehrungen gibt, dann muss dies als Benachteiligung im AGG anerkannt und sanktioniert werden“, betonte Christiane Möller.

Was angemessene Vorkehrungen sind, erläuterte Christiane Möller anhand eines Beispiels einer kleineren Bäckerei, die einen umfassenden Umbau nicht leisten kann. Die Bäckerei könnte aber eine Rampe anlegen, um den Zugang zu ermöglichen.

Hintergrund:

Der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd), der die Pressekonferenz und die Aktivitäten zur Entwicklung der Vorschläge und Stellungnahme koordiniert hat, ist ein Dachverband unabhängiger Antidiskriminierungsberatungsstellen. Seine Mitgliedsorganisationen verfügen über langjährige Erfahrungen in der Antidiskriminierungsarbeit mit Schwerpunkt auf der Beratung und dem Empowerment von Betroffenen von Diskriminierung.

Link zur Presseinformation, zur Stellungnahme und zur Ergänzungsliste zur AGG-Reform