Statut*
Liga Selbstvertretung
Die Politische Interessenvertretung der Selbstvertretungs-Organisationen behinderter Menschen in Deutschland (DPO Deutschland)
Präambel
Durch die UN-BRK (Artikel 4 Abs. 3; Artikel 33, Abs. 3, Artikel 35, Abs. 4) und die „Abschließenden Bemerkungen“ des UN-Fachausschusses vom 17. April 2015 (Ziffern 10, 20, 26, 65) wird die Rolle von „Disabled Persons Organizations – DPOs“ und das Konzept der „Selbstvertretung“ stark hervorgehoben. In Deutschland selber ist das Konzept von „DPO“ – im Gegensatz zur internationalen Diskussion – aus historischen Gründen erst in Ansätzen verwirklicht. Eine permanente Verwechslung von „Selbstvertretung“ mit dem medizinisch geprägten Begriff der „Selbsthilfe“ ist außerdem beobachtbar. Die politische Außenwirkung von DPOs bleibt deshalb bislang sehr begrenzt. Aus diesem Grund treten die unterzeichnenden Organisationen dafür ein, mit einem eigenen Aktionsbündnis zur Selbstvertretung ein deutliches politisches Zeichen zu setzen.
1. Ziele der Liga
Die unterzeichnenden Organisationen gründen die „Liga Selbstvertretung“ (im Folgenden „LIGA“ genannt) als ein Aktionsbündnis (ohne Vereinsstatus) mit den folgenden Zielen:
(1) Die LIGA versteht sich als Die Politische Interessenvertretung der Selbstvertretungs-Organisationen behinderter Menschen in Deutschland (DPO Deutschland)
(2) Die LIGA versteht sich als Ansprechpartnerin von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit, wenn es um die Umsetzung der UN-BRK und die Stimme der Verbände behinderter Menschen geht, ohne die Einzelvertretung der Mitgliedsorganisationen zu ersetzen.
(3) Die LIGA wirkt offensiv an der Bewusstseinsbildung im Sinne der UN-BRK mit und veröffentlicht gemeinsame inhaltliche Stellungnahmen und Positionspapiere zu aktuellen behindertenpolitischen Fragen.
(4) Die LIGA organisiert gemeinsame öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen.
(5) Die LIGA erstellt einen gemeinsamen barrierefreien Internetauftritt.
2. Beteiligte Organisationen
(1) An der LIGA können sich deutsche Selbstvertretungsorganisationen (Disabled Persons Organizations – DPOs) beteiligen, die Behinderung unter einer Menschenrechtsperspektive betrachten und sich für die gleichen Rechte von allen behinderten Menschen sowie für Selbstbestimmung, Empowerment und Peer-Support einsetzen.
(2) Als DPOs werden solche Organisationen verstanden, die als juristische Personen im Vereinsregister registriert und nach den Guidelines des UN-Fachausschuss zur Behindertenrechtskonvention als DPOs verfasst sind: „The Committee understands disabled persons organizations to be those comprised by a majority of persons with disabilities – at least half of its membership -, governed, led and directed by persons with disabilities”.[1] (Deutsche Übersetzung: „Selbstvertretungs-Organisationen behinderter Menschen sind solche, deren Mitgliedschaft mindestens zur Häfte aus behinderten Menschen besteht und die von Menschen mit Behinderungen verwaltet, geführt und gelenkt werden.“)
(3) Die Kriterien für eine Mitgliedschaft in der LIGA sind dementsprechend:
- mindestens 75 Prozent der Mitglieder der Organisation sind behindert
- der gesamte Vorstand der Organisation besteht aus behinderten Personen
- die Geschäftsführung der Organisation wird durch eine behinderte Person wahrgenommen
- mindestens 50 Prozent der Leitungsebene (Abteilungs- oder Referatsleitungen, so vorhanden) sind behinderte Personen
- bei Vertretungsanlässen nach außen sollten behinderte Personen die Organisation repräsentieren
(4) Die mitwirkenden Organisationen haben eine bundesweite Ausrichtung und arbeiten nicht nur regional.
(5) Jede Organisation vertritt außerhalb des Aktionsbündnisses nach wie vor selbständig ihre Mitgliedschaft.
(6) Über eine Aufnahme bzw. einen Ausschluss von DPOs nach der Gründung entscheidet das Plenum der LIGA (s. Punkt 4) mit einer Dreiviertelmehrheit der an der Abstimmung Teilnehmenden.
4. Plenum – Außenvertretung
(1) Alle beteiligten Selbstvertretungsorganisationen bilden das Plenum der LIGA, das sich nach Absprache trifft. Jede beteiligte Organisation hat bei Abstimmungsprozessen im Plenum eine Stimme. Eine Abstimmung durch eine/n „bevollmächtigten Vertreter/in“ ist möglich. Eine Vollmacht dazu muss vor der Abstimmung in schriftlicher Form vorliegen.
(2) Keine Organisation der LIGA ist berechtigt, im Namen der LIGA zu sprechen.
(3) Für Vertretungsanlässe im Rahmen der Außenvertretung wählen die beteiligten Organisationen mit einfacher Mehrheit der an der Abstimmung Teilnehmenden jeweils für zwei Jahre einen, aus drei Personen bestehehenden, gleichberechtigten Sprecher*innenrat, in dem verschiedene Geschlechter und verschiedene Beeinträchtigungsformen vertreten sein sollten. Die Mitglieder des Sprecher*innenrates sind berechtigt, in der LIGA abgestimmte Positionen nach außen zu vertreten.
(4) Bei Abstimmungsprozessen im Plenum bedarf es der einfachen Mehrheit der an der Abstimmung Teilnehmenden. Bei Änderungen oder Ergänzungen des Statuts bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der an der Abstimmung Teilnehmenden.
(5) In Abstimmungsprozessen ist die Stimmabgabe in Sitzungen persönlich, außer-halb von Sitzungen per Brief, Fax, E-Mail oder sonstigen barrierefreien elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten möglich. Voten, die nach einer gesetzten Frist eingehen, werden nicht mehr berücksichtigt.
5. Verantwortlichkeiten der Beteiligten
(1) Die beteiligten DPOs wirken nach Kräften mit ihren personellen und materiellen Ressourcen in der LIGA mit. Dies betrifft etwa die Bereitstellung rollstuhlzugänglicher Versammlungsorte, einschließlich Sanitäranlagen, die Bereitstellung von alternativen Formaten für blinde und sehbehinderte Personen, Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschung, Formate in Leichter Sprache, etc. – es sei denn, dass dafür Projektmittel vorhanden sind.
(2) Die beteiligten Organisationen leisten einen jährlichen Solidarbeitrag, der nach Finanzkraft der Beteiligten gestaffelt ist:
100,- €/ Jahr für kleinere DPOs ohne bis maximal 1,0 Stelle hauptamtliche Struktur
300,- €/ Jahr für DPOs mit kleiner bis mittlerer hauptamtlicher Struktur
750,- €/ Jahr für DPOs mit großer hauptamtlicher Struktur
Die Unterscheidung zwischen mittlerer und großer Struktur erfolgt nach Selbsteinschätzung. Auf Antrag kann eine Beitragsermäßigung oder Beitragsbefreiung erfolgen.
(3) Entstehende Reise- und Verpflegungskosten für notwendige Treffen aller Beteiligten werden von den beteiligten DPOs selbst getragen, es sei denn, dass dafür Projektmittel vorhanden sind.
6. Geschäftsstelle
Zur Unterstützung der Arbeit der LIGA kann eine Geschäftsstelle eingerichtet werden. Deren Aufgabe wird durch eine/n Koordinator/in wahrgenommen, je nach Finanzlage können weitere Personen in der Geschäftsstelle mitarbeiten.
Aufgaben der Geschäftsstelle sind insbesondere:
- Koordination der Arbeit der LIGA
- Kontaktpflege mit Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit
- Organisation von Veranstaltungen
- Pressearbeit
- Einrichtung und Pflege einer Internetpräsenz
- Kontakt und Absprachen mit den SprecherInnen und Mitgliedern der LIGA
Die für Arbeit der Geschäftsstelle entstehenden Kosten werden durch eine eventuelle (Projekt-) Förderungen sowie durch den Solidarbeitrag der Beteiligten getragen. Über den Ausgleich eventueller Defizite oder die Verwendung eventueller Überschüsse entscheidet das Plenum der LIGA.
7. Kodex der Zusammenarbeit
Die Mitglieder der Liga verpflichten sich dazu,
- menschenrechtliche und demokratische Grundsätze zu beachten;
- respektvoll miteinander umzugehen;
- auch bei kontroversen inhaltlichen Auseinandersetzungen auf Abwertungen anderer Personen zu verzichten;
- Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren;
- vertrauliche Informationen nicht weiterzugeben;
- sich um Transparenz zu bemühen.
(Stand: 18. September 2015)
(* Das vorliegende Statut hat sich am Statut der BRK-Allianz orientiert und wurde von den anwesendenen Organisationen am 18. September 2015 in Berlin diskutiert und beschlossen.)
[1] vgl. dazu www.ohchr.org/Documents/HRBodies/CRPD/guidelinesDisabledPersonsOrganizationsCivilSocietyOrganizations.doc (Dokument CRPD/C/11/2 Annex II vom April 2014)