LIGA Selbstvertretung fordert Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens zur Triage und breitere gesellschaftliche Debatte

Berlin: „Es darf nicht passieren, dass unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit und den meisten Bundestagsabgeordneten ein Gesetz zur Triage den Bundestag passiert, das der Selektion von vermeintlich Schwächeren zugunsten Stärkerer Tür und Tor öffnet.“ So bringt die Sprecherin der LIGA der Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen, Dr. Sigrid Arnade, ihr Entsetzen nach der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages vom 19. Oktober zum vorliegenden Gesetzentwurf für Triage-Regelungen auf den Punkt. Die LIGA Selbstvertretung fordert daher eine Aussetzung der für den 10. November geplanten Verabschiedung der geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesdetz zur Triage zugunsten einer breiten gesellschaftlichen Debatte und einer Entscheidung im Bundestag ohne Fraktionszwang.

„Ähnlich wie bei anderen hochbrisanten ethischen Fragen, wie beispielsweise zur Sterbehilfe oder zu Schwangerschaftsabbrüchen, bedarf es auch einer breiten gesellschaftlichen Debatte darüber, wer bei Versorgungsengpässen in Triage-Situationen behandelt wird und wer nicht. Außerdem muss der Fraktionszwang aufgehoben werden, damit auch Initiativen aus dem Parlament heraus entstehen können“, fordert Sigrid Arnade. „Es ist keine 100 Jahre her, dass in Deutschland ethische Grundwerte scheinbar harmlos Schritt für Schritt aufgeweicht wurden und am Ende kranke und behinderte Menschen vernichtet wurden. Eine Wiederholung dieser Geschichte müssen wir mit allen Kräften verhindern – wehret den Anfängen!“

Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages wurde nach Ansicht von Sigrid Arnade deutlich, dass sich die Ausschussmitglieder vor allem an medizinischen Fragestellungen abarbeiten und sie kaum Interesse an der Sicht behinderter Menschen, an der Verfassung sowie an menschenrechtlichen Gesichtspunkten haben. „Dieses grundlegende Thema bedarf aber einer breiteren menschenrechtsorientierten Betrachtung“, fordert Arnade.

„Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber basierend auf einer Beschwerde behinderter Menschen in seinem Beschluss vom Dezember 2021 aufgetragen, behinderte Menschen im Falle einer Triage-Situation vor Benachteiligung zu schützen. Was nun mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorgesehen ist, wird den Anforderungen des höchsten deutschen Gerichts in keiner Weise gerecht,“ kritisiert die Sprecherin der LIGA Selbstvertretung, Sigrid Arnade. „Wir hoffen, dass die Fraktionen im Bundestag den Mut haben, die geplante Abstimmung am 10. November zugunsten einer breiteren Diskussion auszusetzen.“

 

Zur LIGA Selbstvertretung:

Die LIGA Selbstvertretung ist ein Zusammenschluss von 13 bundesweit tätigen Selbstvertretungsorganisationen, die von behinderten Menschen selbst verwaltet, geführt und gelenkt werden.

Link zu Informationen zum Gesetzgebungsprozess zur Triage und zur Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages:

https://www.bundestag.de/mediathek/ausschusssitzungen?videoid=7547094#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTQ3MDk0&mod=mediathek