Aussondernde Strukturen zugunsten inklusiver Angebote überwinden

Berlin: „Der Europarat hat in seinem Staatenbericht zur Menschenrechtslage in Deutschland den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn dieser kritisiert u.a. scharf, dass ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen und die Inklusion in Deutschland durch ausgrenzende Strukturen wie in Werkstätten für behinderte Menschen, Sonderschulen oder Wohneinrichtungen für behinderte Menschen behindert wird. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats Dunja Mijatovic fordert daher zurecht, dass die Anstrengungen der Verantwortlichen und die finanziellen Mittel nun in inklusive Angebote fließen müssen. Dies ist eine Forderung, die die LIGA Selbstvertretung behinderter Menschen schon lange erhebt und die bei den nun anstehenden Reformen in der Behindertenpolitik unbedingt berücksichtigt werden muss“, erklärte der Sprecher der LIGA Selbstvertretung, Ottmar Miles-Paul, anlässlich der Veröffentlichung des Berichts des Europarats vom 19. März 2024.

In Deutschland werde immer noch auf die Beschäftigung behinderter Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen gesetzt, obwohl das durchschnittliche Entgelt dort nur 226 Euro im Monat beträgt und die Vermittlungsquote auf den allgemeinen Arbeitsmarkt von 0,35 Prozent kaum geringer sein könnte, obwohl dies ein klarer Auftrag der Werkstätten ist. Eltern behinderter Kinder beklagten zurecht, dass es in Sachen schulischer Inklusion nicht voran geht und immer neue Mittel in Förderschulen statt in inklusive Angebote fließen. Und auch beim inklusiven Wohnen gehe es in Deutschland kaum voran. Das Beharrungsvermögen der bestehenden Einrichtungen und die Verbandelung vieler Politiker*innen mit diesen ausgrenzenden Systemen verhindere dies, heißt es vonseiten der LIGA Selbstvertretung zur Situation in Deutschland. „Der Aussschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen hat all das auch schon in seinen Abschließenden Bemerkungen von der Staatenprüfung im Jahr 2023 bestätigt. Das können die Verantwortlichen in Deutschland nicht einfach an sich abprallen lassen, ohne nun im Sinne der Inklusion zu handeln“, betont Ottmar Miles-Paul.

Vertreter*innen der LIGA Selbstvertretung, einem Zusammenschluss von 13 bundesweit tätigen Selbstvertretungsorganisationen, die von behinderten Menschen selbst verwaltet, geführt und gelenkt werden, trafen sich am 29. November 2023 mit der Menschenrechtskommissarin des Europarats zum Austausch über die Situationen behinderter Menschen in Deutschland in Berlin. Dabei machten sie u.a. auch deutlich, dass es in Sachen Barrierefreiheit in Deutschland kaum voran geht und Menschen mit psychischen Beeinträchtigung verstärkt mit Zwangsmaßnahmen konfrontiert sind. „Wir freuen uns, dass die Menschenrechtskommissarin die weit verbreitete Ausgrenzung und die Tatsache der mangelnden Fortschritte in Sachen Barrierefreiheit in ihren Bericht mit aufgenommen hat. Denn in den nächsten Monaten erwarten wir konkrete Gesetzesinitiativen zur Verbesserung der Barrierefreiheit, des Diskriminierungsschutz und zu Alternativen zur Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt statt in Werkstätten für behinderte Menschen“, erklärte der LIGA-Sprecher.

Link zur Presseinformation des Europarats zum Landesbericht zu Deutschland

Link zum Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats in englischer Sprache